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Der Erfolg der politischen Außenseiter

Außerhalb einer etablierten Partei zu stehen gilt als ein Erfolgsrezept, wie nicht nur das Beispiel des neu gewählten Innsbrucker Bürgermeisters zeigt. Außenseiter liegen im Trend. Was hat das mit Alexander Van der Bellen zu tun?

Der künftige Innsbrucker Bürgermeister Hannes Anzengruber (Ja - Jetzt Innsbruck) bei der Wahlparty am Sonntag.
Der künftige Innsbrucker Bürgermeister Hannes Anzengruber (Ja - Jetzt Innsbruck) bei der Wahlparty am Sonntag.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr.
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr.

Es klingt wie eine Geschichte aus dem Bilderbuch: Mann findet sich nicht damit ab, dass ihm seine Partei jemand anderen vor die Nase setzt, gründet eine eigene Liste, nimmt mit seiner Frau einen Privatkredit zur Finanzierung des Wahlkampfs auf und triumphiert am Ende. So geschehen in Innsbruck, wo der von der ÖVP geschmähte Johannes Anzengruber zum neuen Bürgermeister gewählt wurde. Die ÖVP selbst war nicht einmal in die Nähe der Stichwahl gekommen - sie liegt im Gemeinderat auf Platz 5 und dürfte auch bei der Koalitionsbildung kaum eine Rolle spielen.

Gut, in Tirol hat das Rebellentum Tradition: Schon Herwig van Staa wurde vor 30 Jahren gegen die ÖVP mit einer eigenen Liste Innsbrucker Bürgermeister (Landeshauptmann wurde er später wieder gemeinsam mit der ÖVP) und auch der streitbare einstige schwarze Arbeiterkammerpräsident Fritz Dinkhauser lehrte seine Partei das Fürchten. Dennoch zeigt die Geschichte des Johannes Anzengruber einmal mehr: Politische Außenseiter haben Konjunktur. Nicht nur in der ÖVP, nicht nur in Tirol.

Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Und eines davon sorgte jüngst in Salzburg wieder für Schlagzeilen: KPÖ-plus-Kandidat Kay-Michael Dankl hätte es fast ins Bürgermeisteramt geschafft - etwas, was seiner Grazer Genossin Elke Kahr schon 2021 gelungen ist. Und zwar sehr zum Schrecken der ÖVP, die damals das Bürgermeisteramt verloren hatte. Dabei war die KPÖ seit Jahrzehnten unter dem politischen Radar geflogen.

ÖVP und SPÖ "fleischgewordenes Establishment"

Zum einen liegen solche Wahlerfolge natürlich immer an den handelnden Personen. Zum anderen ist der Aufschwung des Außenseitertums aber auch "schlicht ein Ausdruck des zunehmenden Misstrauens gegen die etablierten Parteien", wie Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle sagt. ÖVP und SPÖ würden geradezu als "fleischgewordenes Establishment" wahrgenommen, meinte dazu Politikberater Thomas Hofer zur APA. Für ihn zeigt der Wahlsieg des parteilosen Kandidaten in Innsbruck klar den Trend hin zu neuen Bewegungen. Und das könne auch für die Grünen ein Problem werden, wie die Abwahl des bisherigen Bürgermeisters von Innsbruck, des grünen Georg Willi, gezeigt habe.

Solange sich der Unmut über die einstigen Großparteien "nur" darin geäußert habe, dass die Wahlbeteiligung gesunken sei, hätten diese noch sagen können: Macht nichts, sagt Stainer-Hämmerle. Nun habe man das Problem, dass die Proteststimmen großteils zur FPÖ gehen. Und dass, sobald eine neue Bewegung, ein neues Wahlphänomen auftaucht, den etablierten Parteien dieser Vertrauensverlust doppelt auf den Kopf falle. "Denn dann kriegen diese Neuen einen enormen Vertrauensvorschuss." Siehe Anzengruber, siehe KPÖ, siehe aber auch Dominik Wlazny, der nicht nur bei der Bundespräsidentenwahl aus dem Nichts heraus einen Achtungserfolg einfahren konnte, sondern auch mit seiner Bierpartei bei der Nationalratswahl im Herbst antreten und dabei etwa SPÖ und den Grünen Konkurrenz machen könnte. Siehe einst auch Frank Stronach, der wiederum rechts der Mitte um Stimmen fischen konnte.

Wobei es sich gerade bei Quereinsteigern wie Stronach oder Wlazny oft um sogenannte One-Hit-Wonder handle, also um jemanden, der einen Erfolg landet, dann aber recht rasch wieder in der politischen Versenkung verschwindet. Weil die Strukturen fehlen, die Erfahrung, die Leute, das Programm. "In diese Neuen wird dann unglaublich viel hineinprojiziert, obwohl man wie bei einer Wundertüte noch gar nicht weiß, was drinnen ist", sagt die Politikwissenschafterin. Das wisse man übrigens auch bei Anzengruber noch nicht so genau, fügt sie hinzu.

"Das gegenseitige Anpatzen und Beschuldigen, das kommt gar nicht gut an"

Dass ÖVP und SPÖ ihren Ruf derart verspielt haben, ist großteils selbst verschuldet: "Das gegenseitige Anpatzen und Beschuldigen, das kommt gar nicht gut an", sagt Stainer-Hämmerle. Hier wäre es hoch an der Zeit, einen neuen Umgangston zu finden. Dabei hat das Außenseitertum auch innerparteilich Konjunktur, zumindest in der SPÖ, wo mit Andreas Babler im Vorjahr überraschend der Kandidat zum Zug gekommen war, der sich dezidiert gegen das Establishment gestellt hatte. Bisher ohne Erfolg.

Am deutlichsten hat sich der Unmut über die einstigen Großparteien übrigens bei der Präsidentschaftswahl 2016 gezeigt. Keiner der beiden Kandidaten von SPÖ und ÖVP hatte es da in die Stichwahl geschafft, ein Novum. Und so sitzt heute ein Bundespräsident in der Hofburg, der ein Lied davon singen kann, wie es ist, als Außenseiter erfolgreich zu sein: Alexander Van der Bellen. Er kandidierte zwar mit Unterstützung der Grünen, aber niemand hätte im ersten Wahlgang darauf gewettet, dass er der nächste Präsident werden würde. In der Stichwahl setzte er sich einst gegen Norbert Hofer (FPÖ) durch, der den ersten Wahlgang noch mit Abstand für sich entschieden hatte.

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